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Gleichberechtigung. Punkt. Amen.

 

In drei Wochen, am 14. Juni 2019, gehen die Frauen in der Schweiz zum nationalen Frauenstreik auf die Strasse. 28 Jahre nach dem letzten Frauenstreik ist die Gleichberechtigung trotz formaler Gleichstellung noch nicht erreicht. Nach wie vor erhalten Frauen weniger Lohn als Männer, leisten mehrheitlich Frauen die unbezahlte Familien- und Sorge-Arbeit, ist Gewalt gegen Frauen an der Tagesordnung. Auch in den Kirchen lässt die Gleichberechtigung zu wünschen übrig. Kirchenfrauen streiken am 14. Juni deshalb mit und machen zusätzlich am Samstag und Sonntag eigene Aktionen. Vor allem katholische Frauen haben es satt, dass sie seit Jahren Gleichberechtigung in der römisch-katholischen Kirche fordern und dennoch nichts passiert. Katholische Seelsorgerinnen begleiten Menschen bis an die Grenze des Todes, doch die Krankensalbung spenden dürfen sie nicht. Sie predigen und leiten Gottesdienste, doch die Eucharistie feiern dürfen sie nicht. Weil sie allein aufgrund ihres Geschlechts von der Weihe und damit von den kirchlichen Leitungsämtern und den sakramentalen Handlungen ausgeschlossen sind. Auch die ehrenamtliche Arbeit, ohne die in der Kirche nichts gehen würde, leisten grösstenteils Frauen; doch geführt wird die Kirche allein von klerikalen Männern. Die Ungleichheit von Männern und Frauen ist der römisch-katholischen Kirche strukturell und kirchenrechtlich eingeschrieben.

 

Dies ist nicht nur ein Verrat an der schöpfungsmässigen Gleichheit von Frau und Mann als Ebenbilder Gottes. Dies ist auch ein Verrat an der egalitären Botschaft Jesu und den Anfängen der Kirche! Frauen folgten Jesus als Jüngerinnen nach, sie waren in seiner Nähe, als er gekreuzigt wurde, während die Jünger aus Angst geflohen waren. Frauen waren deshalb auch die ersten Zeuginnen von Jesu Auferstehung. Allen voran Maria aus Magdala, die als erste dem Auferstandenen begegnet ist und seine Auferstehung den Jüngern und Aposteln verkündet hat. Sie wurde von den Kirchenvätern deshalb als «apostola apostolorum», Apostolin der Apostel, bezeichnet. Auf ihrem Zeugnis gründet also die Kirche!

 

Auch im frühen Christentum waren Frauen als Apostelinnen, Missionarinnen und Leiterinnen von Hausgemeinden aktiv an der Verbreitung des christlichen Glaubens beteiligt. Nicht das Geschlecht, sondern die Charismen von Frauen und Männern waren damals massgeblich für die Ämter und Funktionen in der Kirche. Was damals noch revolutionär war, sollte heute, im 21. Jahrhundert, eigentlich mehr als selbstverständlich sein. Die Geduld vieler Katholikinnen hat nach Jahrhunderten kirchlicher Diskriminierung deshalb ein Ende und sie fordern am 14. Juni laut und vernehmlich: «Gleichberechtigung. Punkt. Amen!»

 

Doris Strahm

 

 

© Doris Strahm 2019