Text in PDF-Format öffnen

Friedensstifterinnen

 

Täglich lesen und hören wir in den Medien von Krieg und Männergewalt. Die Friedensinitiativen von Frauen dagegen sind meist keine Nachricht wert.

 

"Ein kleines Wunder ist geschehen", schrieb mir eine Kollegin zum Jahresbeginn, "das von den Medien völlig ignoriert wurde: Tausende Frauen, Israelinnen und Palästinenserinnen, Jüdinnen, Musliminnen, Christinnen und säkulare Frauen sind in Israel zusammen für den Frieden marschiert." Der Marsch der Hoffnung, der im Oktober 2016 stattgefunden hat, von dem ich aber erst jetzt dank meiner Kollegin erfahren habe, wurde von "Women Wage Peace" organisiert – einer politisch unabhängigen Basisbewegung, die sich nach dem Gazakrieg 2014 gebildet hat. Israelische und palästinensische Mütter und Grossmütter fragten sich: Weshalb schicken wir unsere Kinder in den Krieg? Wie sieht die Zukunft für unsere Kinder und Grosskinder aus? Mit ihrem gemeinsamen Marsch demonstrierten sie die Hoffnung auf eine friedliche Existenz für sich und zukünftige Generationen. Sie forderten von den Politikern eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche, eine Lösung des Konflikts, die für beide Seiten annehmbar ist, und den Einbezug von Frauen in den Friedensprozess.

Die Friedensaktion der Frauen in Israel ist kein Einzelfall. In Liberia hat die Sozialarbeiterin und Bürgerrechtlerin Leymah Gbowee zur Zeit des Bürgerkriegs (1989-2003) eine interreligiöse Friedensinitiative muslimischer und christlicher Frauen ins Leben gerufen, die mit Sexstreiks, Sit-ins und öffentlichen Friedensgebeten zur Beendigung des Bürgerkriegs beigetragen hat. Sie wurde dafür 2011 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Auch in vielen anderen Gegenden der Welt haben Frauen Friedensinitiativen auf die Beine gestellt, engagieren sich Frauen in interreligiösen und friedensfördernden Projekten, sichern Frauen das Überleben ihrer Kinder in kriegszerstörten Dörfern und Städten. Diese Friedensarbeit von Frauen, die den Medien meist keine Schlagzeile wert ist, sichtbar zu machen und die Vernetzung zwischen Friedensstifterinnen zu stärken, ist Ziel der Organisation "FriedensFrauen Weltweit" (vormals "1000 Frauen für den Frieden").

Ohne Frauen keinen Frieden: Dies erkannte auch der UNO-Sicherheitsrat und verabschiedete im Oktober 2000 die Resolution 1325. Zum ersten Mal wurde darin anerkannt, dass Frauen im Kontext von Krieg und Frieden andere Erfahrungen machen als Männer und welch wichtige Rolle Frauen bei der Verhütung und Beilegung von Konflikten zukommt. Resolution 1325 verlangt deshalb, dass Frauen in Konfliktzonen besonders zu schützen sind und gleichberechtigt in alle friedenspolitischen Prozesse einbezogen werden. Fortan sollen Frauen in Krisengebieten als "Friedensmanagerinnen" verstanden werden, und die UNO-Mitgliedsstaaten sind aufgefordert, in alle Friedenseinsätze die Genderperspektive zu integrieren und die volle Mitwirkung von Frauen in allen Friedensprozessen zu garantieren. Noch sind wir weit von diesem Ziel entfernt, und es braucht Friedensstifterinnen dringender denn je.

 

Doris Strahm

 

 

© Doris Strahm 2017